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10 Wochen - 10 Werke #3: Jörg Widmann Streichquartette

10 Wochen - 10 Werke #3: Jörg Widmann Streichquartette

Jörg Widmann: Streichquartette interpretiert von Heath Quartet und Katharina Konradi

Jörg Widmann gehört zu den aufregendsten und vielseitigsten Künstlern seiner Generation. Ausgebildet von Gerd Starke in München und Charles Neidich an der Juilliard School New York ist der Klarinettist Jörg Widmann regelmäßig zu Gast bei bedeutenden internationalen Orchestern. Komposition studierte Jörg Widmann bei Kay Westermann, Wilfried Hiller und Wolfgang Rihm. Sein Schaffen wurde vielfach ausgezeichnet.
Nirgends lässt sich die neue Generation der Kammermusik besser zeigen, als in den fünf, als Zyklus geplanten Streichquartetten von Jörg Widmann – in Lockenhaus interpretiert von einer der spannendsten jungen Streichquartettformationen, dem britischen Heath Quartet.

Die Nummern 1 bis 3, darunter das viel gespielte dritte („Jagdquartett“), das im Zyklus als Scherzo fungiert, entstanden 1997–2003. Das vierte ist nach den Worten des Komponisten ein Stück über das Gehen und Schreiten (Andante/Passacaglia).

Im fünften Quartett, „Versuch über die Fuge“, fließen die vier Stimmen, nun artikulatorisch geglättet, zu immer wieder neuen kontrapunktischen Konstellationen zusammen, vom Fugato bis hin zum Spiegel- und Kreiskanon. Neu ist hier der Einsatz einer Sopranstimme, die den technischen „stile antico“ mit Bibeltexten in lateinischer Sprache ergänzt.

Mittwoch 11.07., 19:30 Uhr, Burg
Jörg Widmann: 1. Streichquartett

Freitag 13.07., 18:00 Uhr, Kirche
Jörg Widmann: 4. Streichquartett Nr.4
Jörg Widmann: 2. Streichquartett „Choralquartett“

Samstag 14.07., 11:15 Uhr, Kirche
Jörg Widmann: 3. Streichquartett „Jagdquartett“ 

Samstag 14.07., 19:30 Uhr, Kirche - Abschlusskonzert
Jörg Widmann: 5. Streichquartett „Versuch über die Fuge“

Katharina Konradi, Sopran

Karten: Tel: +43 (0)2616 20202
online >>>

Programmredakteurin Miriam Weiss über Jörg Widmanns Streichquartette:

Den Dingen auf den Grund gehen – Jörg Widmanns Streichquartette Nr. 1 – 5

Am Anfang war das Holz. Wie bei einem alten Dielenfußboden knarzt und knirscht es zu Beginn von Jörg Widmanns erstem Streichquartett. Hinzu gesellen sich zart quietschende Flageoletts, tröpfelnde Pizzicati und zittrige sul ponticello-Klanginseln. Bis sich der vertraute Streicherklang herausschält, dauert es eine Weile. Doch genau darum ging es Widmann, der sich angesichts der erdrückenden Last der „riesenhaften“ Streichquartett

Literatur, wie er sie nennt, dazu entschloss, „die Problematik des Anfangs, des Anfangens selbst zum Thema zu machen.“ So lässt der Komponist erst einmal das ungehobelte Holz sprechen, bevor sich langsam Klänge zu formen beginnen. Überhaupt spielt Zeit eine ganz entscheidende Rolle in seinem Streichquartett-Konzept: Es braucht einen über einen Zeitraum von acht Jahren entstandenen Zyklus von fünf einsätzigen Werken, bis sich die Totalität der Gattung in fünf charakterlich ganz unterschiedlichen Studien darstellt. Widmann sieht in jedem seiner Streichquartette eine „archetypische Satzform“, die in der Zusammenschau das Verbindende,  die klassische Mehrsätzigkeit, zutage treten lassen.

Das erste 1997 komponierte Quartett übernimmt den Part der Introduktion, in der die Ausdrucksmöglichkeiten der Besetzung sondiert werden: „Die formale Kleingliedrigkeit und die raschen Tempowechsel entsprechen der Vielzahl von Spieltechniken und virtuosen ‚Masken’-Wechseln in den einzelnen Stimmen“, so Widmann über das Werk. Vieles wird ausprobiert und angerissen, wobei sich die Bratsche, die in der Viererkonstellation ansonsten eher das Nachsehen hat, zum Spielmacher aufschwingt. Im letzten Formteil „Quasi una ciaconna“ haben sich die Stimmen gefunden und die „Problematik des Anfangs“ hinter sich gelassen. Als langsamer Satz fungiert das zweite (Choral-) Quartett aus dem Jahr 2003, dessen Beginn mittels sul tasto-Spiel an einen weichen Orgelklang erinnert. Langsam, verhalten und fragend sucht dieser in einer pseudo-sakralen Atmosphäre versunkene Satz auch jenseits etablierter Streicherklänge nach seiner Stimme, die irgendwo zwischen Klage, Resignation und absoluter Erschöpfung angesiedelt ist. Ohne das Wissen um Joseph Haydns „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ sei dieses Quartett nicht denkbar, so Widmann.

Auf dieses höchst rätselhafte Werk folgt das Jagdquartett (2003), das als fröhlich-forsches Scherzo beginnt, sich im Verlauf des Satzes aber als solches demontiert. Um das dem Quartett eingepflanzte, Robert Schumanns „Papillons“ entliehene Jagdthema ringt man heftig, bis es schließlich brutal zu Tode getrieben wird. Auf die rasante Hetzjagd folgen mit dem vierten Quartett (2005) geruhsames Gehen (Andante) und majestätisches Schreiten (Passacaglia), wobei das musikalische Auf und Ab der Schritte mit dem Ein- und Ausatmen der Spieler verknüpft wird.

Kontinuierlich und ruhig geht die Musik ihres Weges und erreicht schließlich mit dem fünften Quartett (2005) das Finale des Zyklus. Zum Ziel gelangt sie dennoch nicht, denn die Suche als das den Zyklus umspannende Thema steht auch hier im Mittelpunkt. Als „Versuch über die Fuge“ konzentriert sich Widmann in diesem Quartett ganz auf die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes „fuga“ („Flucht“) und unternimmt zahlreiche Anläufe zu einem Fugenthema. „Das neben der ‚Flucht’ typische ‚Fließen’ der Fuge stellt sich erst nach und nach ein“, so der Komponist. Nach dem Herantasten an die Klänge (1. Quartett), dem Wunsch nach Erlösung (2. Quartett), dem Rollentausch von Jagenden und Gejagten (3. Quartett) und dem Gang ins Nirgendwo (4. Quartett) wird die zentrale Frage durch den Hinzutritt der Sopranstimme nun auch verbal formuliert: „Fern ist der Grund der Dinge und tief, gar tief; wer will ihn finden?“

Miriam Weiss

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